Leipzig (ots) – Mit 750 Milliarden Euro will die EU Europa wettbewerbsfähiger und resilienter machen. Der Europäische ‚Green Deal‘ sieht unter anderem vor, eine Million neue Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu errichten, den Schienenverkehr zu stärken und saubere Mobilität in den Städten zu fördern. Investitionen, die neue Geschäftsfelder auch für Energieversorgungsunternehmen eröffnen könnten.
Heutige urbane Räume haben in den letzten Jahren stadtspezifische Mobilitätscharaktere entwickelt und werden diesen Weg weiter fortsetzen. Ausgehend von differenziert genutzten Stadtstrukturen werden sich zukünftig „individualmobilisierte Mega-Cities“ in vereinzelten urbanen Räumen (Quartiere) konzentrieren – auch verstärkt auf den Umweltverbund, d. h. Fußgänger-Stadt und/oder Radfahrer-Stadt und/oder ÖPNV-Stadt.
Fehlende Gelder und Entscheidungen
Problematisch bleibt die Erschließung der Speckgürtel und weiter entfernten Siedlungsräume, deren Bewohner mobil sein müssen. Hier auf den freien Markt zu setzen ist unrealistisch, Aufwand und Ertrag decken sich nicht hinreichend. Anders als in den Metropolen findet man kaum Disruptoren in der Fläche. Die Mobilität ist und bleibt auf dem Land eine subventionsabhängige Leistung der Daseinsvorsorge, die voraussichtlich nur als Kombi-(Dienst-)Leistung mit anderen Akteuren (Lieferverkehr, Entsorgung?) und mit Hilfe der Digitalisierung optimiert werden kann.
Wie kann sich aber urbane Mobilität erfolgreich entwickeln? Aktuell fehlt es zum einen definitiv an finanziellen Mitteln bei den ÖPNV-Unternehmen. Auch Energieversorgungsunternehmen zögern mit Investitionen in Lade-Infrastrukturen bzw. der Ertüchtigung ihrer „davor“ liegenden Infrastruktur, weil gesellschaftspolitisch (noch) nicht geklärt ist, welche Antriebsform sich beim MIV unter marktwirtschaftlichen demokratischen Rahmenbedingungen durchsetzen wird.
Hinzu kommt insbesondere in Deutschland der Faktor Autoland. Die Ausgestaltung der urbanen Mobilität ist in Industriestaaten stark abhängig von der jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Gewichtung für bzw. gegen die Automobilindustrie auf der einen – also Arbeitsplätzen, und dem Klimawandel mit seinen Auswirkungen auf der anderen Seite. Auch zukünftig werden deutsche Autos sich besser verkaufen, wenn im Produktionsland der tägliche Beweis für Funktionalität geliefert wird und mehr finanzielle Mittel in den MIV als in die ÖPNV fließen. An Beispielen wie Helsinki, Oslo, Kopenhagen oder Gent hat sich hingegen gezeigt, dass dort, wo urbane Mobilität in Nationalstaaten ohne große Abhängigkeit von der Automobilindustrie existiert, ein Wandel deutlich schneller und radikaler von statten gehen kann.
Neue Geschäftsfelder – wer profitiert?
Urbane Mobilität erfordert die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure und die Zusammenlegung von Kernkompetenzen mit unternehmensübergreifenden Kooperationen. Insbesondere für Energie- und Verkehrsbereich eröffnen sich durch die Bereitstellung moderner Infrastrukturen in der E-Mobilität neue Geschäftsfelder.
Profitieren werden auch Disruptoren wie beispielsweise Uber, die Automobilindustrie mit Autonomen Fahren Carsharing-, Ridesharing-Angeboten oder PKW-Flatrates. Zudem werden besonders IT-Unternehmen in Zukunft zu gefragten Playern. Sie liefern die digitalen Infrastrukturen bzw. intelligente Softwarelösungen (KI), um endlich die lang vermisste Transparenz bezüglich des Kundenverhaltens im ÖPNV mithilfe von Big Data zu generieren.
Grundsätzlich werden sich durch urbane Mobilität, Digitalisierung und Vernetzung neue Geschäftsmodelle ergeben, die nur zu einem geringen Teil durch althergebrachte Lösungen wirtschaftlich betrieben werden können.
Die Chancen für Energieunternehmen
Für Energieunternehmen ergibt sich aus der urbanen Mobilität die Chance zur Kompensation des in Teilen rückläufigen Kerngeschäfts im Bereich der traditionellen Energieversorgung. Abhängig von der Entwicklung des ÖPNV wird sich die Rolle der Energieversorgungsunternehmen auf die Lieferung von elektrischer Energie beschränken oder aber neue Angebote mit Fahrzeugen (Auto, Rad, Scooter etc.) als eigenes Geschäftsmodell oder in Kooperation mit (inter-)nationalen Playern ermöglichen.
Wesen von Mobilität ist immer die Fortbewegung, wobei das Ziel gegebenenfalls nicht mehr im Einzugsbereich des lokalen Energieversorgungsunternehmens liegt. Damit würde für E-Mobilität an dieser Stelle eine neue Barriere entstehen. Es ist demnach davon auszugehen, dass große nationale/internationale Unternehmen oder White-Label-Integratoren in Kooperationen oder aus Ausgründungen der Automobilindustrie dieses Marktsegment vornehmlich beherrschen werden.
Sofern sich (batterieelektrische) E-Mobilität „durchsetzt“, brauchen alle Akteure, in geeignetem Umfang Strom. Durch das lokale Know-how, oder im gemeinsamen Verbund zum Beispiel in Metropolregionen, sind Energieversorgungsunternehmen die „geborenen“ Partner zur infrastrukturellen Bereitstellung. Bei Verkehrsunternehmen wird der Bedarf unter Umständen geringer ausfallen, da Straßenbahnen und Busse größtenteils bereits über entsprechende Infrastrukturen verfügen.
Keine Lösung „One size fits it all“
So, wie jede „Stadt“ ihren individuellen Mobilitätscharakter besitzt, so unterscheiden sich Energieversorgungsunternehmen in vielen Kriterien, die für die Auswahl eines passenden Geschäftsmodelles relevant und für den potentiellen Erfolg wichtig sein können.
Für die Versorger macht es keinen Sinn bei bereits bestehenden, gut ausgebauten Mobilitätsangeboten ebenfalls in einen letztendlich defizitären Bereich einzusteigen. Hier kann sich die eigene Rolle nur auf die Kernkompetenz beschränken, nämlich die Zurverfügungstellung von „Strom“.
Es mag aber auch Agglomerationen geben, in denen Energieversorger – insbesondere solange kein unternehmens- oder gesellschaftsrechtlicher, politischer Verbund mit dem lokalen ÖPNV-VU existiert, ein wirtschaftlich tragfähiges E-Mobilitäts-Geschäftsmodell durchaus entwickeln und erfolgreich betreiben können.
Um die individuellen Erfolgspotenziale, Chancen und Risiken von Energieversorgungsunternehmen in der urbanen Mobilität zu beurteilen, bedarf in jedem Fall einer transparenten und sorgfältigen Analyse zur Definition des jeweiligen Mobilitätsmarktes.
Autor: Andreas Glowienka, Senior Advisor ÖPNV/Public Transport Tilia GmbH Leipzig
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