Köln (ots) – „Mit dem „Tag der Süße“ konnten wir einen wertvollen Beitrag zur öffentlichen und oftmals sehr leidenschaftlich geführten Debatte rund um eine ausgewogene Ernährung, insbesondere zum Thema „Süßereduktion“, leisten, indem wir die Diskussionen auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt haben“, resümierte Isabelle Begger, Vorsitzende des Süßstoff-Verband e.V., zum Abschluss des „Tag der Süße“ am 17. Juni, der in diesem Jahr erstmalig stattfand und vom Süßstoff-Verband initiiert wurde. Mehr als 200 Fachleute aus der Ernährungs- und Gesundheitsbranche, aus Lebensmittelindustrie und Wirtschaft sowie Vertreter:innen von Fachverbänden und Selbsthilfeorganisationen beteiligten sich in Form von virtuellen Vortrags- und Diskussionsrunden an der Debatte rund um die Historie und Sicherheit von Süßstoffen, Geschmackspräferenzen und Süßereduktion.
Geschmacksexpertin: „Der Konsum von Süßem beeinflusst nicht die Präferenz für Süßes“
Zu Beginn der digitalen Eventreihe referierte Geschmacksexpertin Dr. Kathrin Ohla im Rahmen eines „Politischen Frühstücks“ vor virtuell zugeschalteten Mitgliedern des Bundestages und deren Mitarbeitenden zu den Themen „Genetik, Gewöhnung und Präferenz von Süßem“. Die Wissenschaftlerin betonte in ihrem Vortrag, dass die Vorliebe für Süßes angeboren, jedoch im Laufe des Lebens beeinflussbar ist. „Das Wort „Süßeprägung“ suggeriert einen festgeschriebenen und unumkehrbaren Zustand und entspricht nicht der Realität. Untersuchungen zeigen, dass wir mit Disziplin und Willen lebenslang dazu in der Lage sind, unsere Präferenzen und unser Ernährungsverhalten zu verändern“, berichtet Ohla. Ihr Appell an die Politik: „Nicht der Süßegeschmack und somit das Geschmackserlebnis muss reduziert werden, sondern die Zusammensetzung der Lebensmittelprodukte muss überdacht und reguliert werden“, so Ohla.
Auch mit Vorurteilen und Mythen räumte die Wissenschaftlerin auf: „Einer aktuellen Studie (Appleton et al., 2018) zufolge führt der Konsum von süßen Lebensmitteln und Getränken nicht zu einer erhöhten Süßepräferenz“. Eine Spirale „süßer Konsum führe zu Lust auf mehr Süßes“ gebe es demnach nicht.
Süßstoff-Experte: „Die Geschichte von Saccharin ist spannender als jede Seifenoper“
Die anschließende digitale Fachveranstaltung bot mehr als 200 Fachleuten aus Gesundheit und Ernährung spannende Einblicke rund um die Themen Historie und Sicherheit von Süßstoffen sowie Geschmackspräferenzen und Süßereduktion. Die Vortragsreihe eröffnete Prof. Dr. Klaus Roth, promovierter Chemiker und Professor am Institut für Chemie an der Freien Universität Berlin, mit dem Beitrag „Bewegende Zeiten aus Sicht der Moleküle – 134 Jahre Süßstoffe – Made in Germany“. Mit seinen Ausführungen lud er zu einer Zeitreise durch die bewegte Historie von Süßstoffen ein: von der zufälligen Entdeckung des ersten Süßstoffs Saccharin im Jahr 1887 über den sogenannten Süßstoffschmuggel Anfang des 20. Jahrhunderts bis hin zur heutigen Verwendung von Süßstoffen wie Acesulfam-K und Aspartam, die aufgrund von positiven Synergieeffekten insbesondere aus kalorienfreien Erfrischungsgetränken nicht mehr wegzudenken sind. „Acesulfam ist einer der verträglichsten Stoffe überhaupt – doppelt so verträglich wie eine Kochsalzlösung“, so Prof. Dr. Roth. Er kritisierte in seinem Vortrag unter anderem das sich im Nachhinein als voreilig und unbegründet herausgestellte Verbot der Süßstoffe Cyclamat und Saccharin in den sechziger und siebziger Jahren. „Hier siegte politischer Aktionismus gegenüber Augenmaß und Vernunft“, so Prof. Dr. Roth, Autor von zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen.
Im Anschluss referierte Dr. Kathrin Ohla auch vor den geladenen Fachleuten zum Thema „Genetik, Gewöhnung und Präferenz von Süßem“. Sie machte deutlich, dass jede Geschmacksqualität eine physiologische Funktion erfüllt: Während der salzige Geschmack zum Beispiel auf Elektrolyte hinweist, gibt der süße Geschmack einen Hinweis auf Kohlenhydrate und Energie – jene benötigt der menschliche Körper und insbesondere Neugeborene zum Wachsen und Gedeihen. Entsprechend besitzt der Mensch eine angeborene Präferenz für den süßen Geschmack, dies zeigen auch Studien mit Neugeborenen. Die angeborene Präferenz ist allerdings nicht festgeschrieben. „Sie ist modulierbar und kontrollierbar“, so Dr. Kathrin Ohla. Zudem sind Erfahrungen – familiäre und kulturelle Esseinflüsse – wesentliche Faktoren bei der Entwicklung unserer Geschmäcker. „Dabei beeinflusst der Konsum von süßen Lebensmitteln und Getränken nicht die Präferenz für Süßes“, statuiert die Expertin mit Verweis auf die aktuelle Studienlage.
EFSA-Experte: „Sicherheitsbedenken in Bezug auf Süßstoffe sind nicht angebracht“
Der Fachvortrag „Süßstoffe: Sehr unterschiedlich – in der Sicherheitsbewertung gleich“ von Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany bildete den letzten Redebeitrag der digitalen Fachveranstaltung. Der promovierte Biochemiker war unter anderem für die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) tätig. Inhaltlicher Schwerpunkt seiner Ausführungen war die Sicherheit von Süßstoffen, die in der öffentlichen Debatte regelmäßig infrage gestellt wird. Dabei nahm Prof. Dr. Jany unter anderem Stellung zum ADI-Wert, der die tolerierbare Tagesdosis eines Stoffes angibt, die ein Mensch ein Leben lang täglich ohne negative Auswirkungen auf seine Gesundheit aufnehmen kann. „Durch den Konsum alltäglicher Mengen von zugelassenen Süßstoffen – wie zum Beispiel bei der Anwendung in Form von Süßstofftabletten im Kaffee – ist die Erreichung eines kritischen ADI-Werts ausgeschlossen“, erklärte Prof. Dr. Jany und fügte hinzu: „Wir als Wissenschaftler garantieren mit unseren Forschungsergebnissen die Sicherheit von Lebensmitteln. Sicherheitsbedenken und Zweifel in Bezug auf Süßstoffe sind daher nicht angebracht“.
Im Anschluss hatten die Teilnehmenden in Form einer virtuellen Fragen- und Diskussionsrunde die Gelegenheit, direkt mit den Vortragenden in Kontakt zu treten. „Süße Themen haben viele Facetten und sind derzeit in aller Munde. Sie werden in der Öffentlichkeit, in den Medien und auch in der Politik lebendig diskutiert. Der rege Austausch zwischen den Teilnehmenden und den wissenschaftlichen Vertreter:innen hat einmal mehr aufgezeigt, wie groß die Nachfrage und daher die Wichtigkeit unserer Aufklärungsarbeit ist“, resümierte Anja Roth, Ernährungswissenschaftlerin und fachliche Ansprechpartnerin des Süßstoff-Verband e.V..
Sweetcamp digital zum Thema „Wie süß wird die Zukunft?“
Den Abschluss des „Tag der Süße“ bildete das Sweetcamp, das in diesem Jahr das Motto „Wie süß wird die Zukunft?“ trug und zum ersten Mal digital stattfand. Wie schon in den Jahren 2018 und 2019 wurde das Sweetcamp als offenes Veranstaltungsformat im Stil eines Barcamps ausgetragen. In verschiedenen „Sessions“ diskutierten rund 70 Teilnehmende engagiert und kontrovers über „süße Inhalte“, wie zum Beispiel über hartnäckige Süßstoff-Mythen im Alltag oder das Thema Süße in der politischen Diskussion. „Als Ernährungsberater muss ich tatsächlich immer noch regelmäßig erklären, dass Aspartam nicht krebserregend ist“, berichtet ein Teilnehmer. Großen Anklang fand eine Session zum neuen Süßstoff Brazzein, den Dr. Katja Riedel von der Brain AG vorstellte. Die Marktzulassung von Brazzein werde in drei bis vier Jahren erwartet, so Riedel. „Im schnell wachsenden Markt der Protein-Süßstoffe, in dem es gilt, Geschmacksprofil und Nährwert parallel zu verbessern, erwarten wir, dass unser neues Produkt die steigende Verbrauchernachfrage in hohem Maße bedienen wird“, erklärte sie.
„Süßstoffe sind ein wichtiger Baustein zur Erreichung der nationalen (Kalorien-) Reduktionsziele im Bereich Erfrischungsgetränke. Politische Akteure, die weniger Kalorien fordern und gleichzeitig den seit mehr als 100 Jahren am Markt befindlichen Süßstoff verdammen, müssen eine Alternative aufzeigen, die den Konsumenten weiterhin Genuss und Abwechslung bei ihren Getränken ermöglicht“, resümierte Kai Klicker-Brunner, Head of Public Policy Governmental Affairs and Communications D/A/CH bei PepsiCo, dem Hauptsponsor und Ideengeber der Veranstaltung. „Es ist unsere Aufgabe, den Konsumenten weiter aufzuklären und transparent und vollumfänglich zu informieren.“
Das inhaltliche Feedback der Teilnehmenden auf den besonderen Thementag fiel durchweg positiv aus: „Herzlichen Dank für den sehr informativen und den Horizont erweiternden „Tag der Süße“, der insbesondere durch die sehr unterschiedlichen Vorträge in Erinnerung bleiben wird“, berichtete eine Teilnehmerin. Auch Verbandsvorsitzende Isabelle Begger zog am Ende eine positive Bilanz: „Ich freue mich, dass wir mit unseren digitalen Events im Rahmen des „Tag der Süße“ vertiefende Einblicke zum Thema Süße und im Speziellen auch zu Süßstoffen ermöglichen konnten und vor allem ausufernde Diskussionen in der Öffentlichkeit und den Medien einfangen und auf eine wissenschaftliche Basis stellen konnten.“
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Quelle: ots